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Wie US-Banken die Herausforderungen im Zinserhöhungszyklus 2022 meistern

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Der diesjährige Zinserhöhungszyklus in den USA stellt US-Banken vor bislang unbekannte Herausforderungen. Nicht nur hat die Covid-19-Krise die Finanzbranche nachhaltig verändert. Auch schwindende Margen und ein geringeres Wachstumspotenzial machen den Banken zu schaffen. Unsere Experten für den amerikanischen Markt beleuchten vier entscheidende Fallstricke, die auch für europäische Banken bei anstehenden Zinserhöhungen hoch relevant sein werden.

Dieses Jahr treten wir in den USA in einen Zinserhöhungszyklus ein, also in eine Zeitspanne, in der Banken traditionell Chancen für eine Margenerhöhung haben. Derzeit jedoch unterscheidet sich dieses steigende Zinsumfeld signifikant von vergangenen Zeiträumen. Die Covid-19-Krise hat eine einzigartige Mischung aus makroökonomischen Bedingungen und Marktdynamik hervorgebracht, die das Privatkundengeschäft in den nächsten 24 Monaten vor besondere Herausforderungen stellen wird.

Die Inflation in den Vereinigten Staaten und in Europa erreichte Anfang dieses Jahres mit 7,5 beziehungsweise 4,8 Prozent Höchststände, die auf eine Reihe ungewöhnlicher Einflussfaktoren infolge der Pandemie zurückzuführen sind. Dazu gehören unter anderem unterbrochene globale Lieferketten, sprunghafte Nachfrageschübe und massive Staatsausgaben. Die Zentralbanken in den USA wie auch in Europa haben daraufhin die Weichen für Zinserhöhungen gestellt; trotzdem befinden wir uns auf unbekanntem Terrain. Insbesondere in den USA ist die Kreditnachfrage immer noch schleppend, die Banken werden mit Einlagen überschwemmt, und ein Rückgang des Wirtschaftswachstums droht nach wie vor.

Amerikanische Banken sehen sich daher mit steigenden Zinsen unter Marktbedingungen konfrontiert, die traditionelle Gegenmaßnahmen auf die Probe stellen. Sie müssen ihre Ansätze hinterfragen und präzise, schnell und diszipliniert handeln, um höhere Margen und Wachstum zu sichern.

Herausforderung #1: der Wettbewerb intensiviert sich

Ende 2021 hatten viele US-Banken Schwierigkeiten bei der Kreditvergabe und wurden von Einlagen überschwemmt. Unserer Analyse zufolge lag das durchschnittliche Verhältnis von Krediten zu Einlagen für traditionelle Banken in den USA im vierten Quartal 2021 bei 65 Prozent. Wünschenswert dagegen ist ein Kredit-Einlagen-Verhältnis von circa 85 Prozent.

Bei einer so hohen Liquidität könnten einige Banken versucht sein, den Fuß vom Gas zu nehmen, um überschüssige Einlagen abwandern zu lassen, solange die Zinsen steigen. Diese Taktik ist jedoch riskant, denn es war noch nie so einfach wie jetzt, ein Online-Konto zu eröffnen – der Bankwechsel kann in nur wenigen Klicks erfolgen. Hinzu kommt die wachsende Anzahl von FinTechs mit aggressiven Strategien zur Kundengewinnung. Capital One etwa gab von Oktober bis Dezember 2021 satte 1 Milliarde US-Dollar für Marketing aus, um das zu nutzen, was das Unternehmen als windows of opportunity for growth bezeichnet.

Auch reine Digitalbanken sind – ähnlich wie in Europa – in den letzten zehn Jahren in den USA enorm gereift und haben sich zu beachtlichen Akteuren entwickelt. So hat beispielsweise die Ally Bank ihr Einlagenportfolio in den letzten zehn Jahren auf 142 Milliarden Dollar verdreifacht. Fast 70 Prozent der 226.000 neuen Kunden, die die Ally Bank im Jahr 2021 hinzugewonnen hat, gehören der jüngeren Generation an, die nach Angaben der Bank „noch am Anfang ihrer finanziellen Reise steht und eine hohe Neigung zu digitalem Engagement hat“.

Banken, die ihre vielversprechendsten Kunden nicht systematisch identifizieren und incentivieren, könnten hier ins Hintertreffen geraten. Anreize wie Relationship Pricing, der Erlass von Kontogebühren und besondere Vergünstigungen werden im kommenden Jahr eine entscheidende Rolle bei der Kundenbindung spielen. Die Banken sollten auch Kapitalflüsse täglich und wöchentlich analysieren, um Kunden auszumachen, die ein hohes Abwanderungsrisiko aufweisen, um sie mit den richtigen Angeboten präventiv anzusprechen.

Herausforderung #2: hohe Zinssätze reichen nicht aus

Eine weitere Gefahr bei steigenden Zinsen besteht darin, dass sich Banken ausschließlich auf diese Zinserhöhungen verlassen, um Kunden anzuziehen und zu halten.

Dabei sind Bankkunden, nicht nur in den USA, nun seit mehreren Jahren gewohnt, sich in allen Aspekten ihres Lebens auf digitale Technologien zu verlassen. Verbraucher haben hohe Erwartungen an digitale Technik, verlangen ein höheres Maß an Personalisierung sowie kontextbezogene digitale Interaktionen. Digitales ist so sehr zur Norm geworden, dass selbst die ältere Generation Filme streamt, Unterhaltungen per Video-Chat führt, Bankgeschäfte erledigt und Zahlungen tätigt.

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss die Strategie für das Einlagenportfolio einer Bank daher digitale User Experiences berücksichtigen. Was früher nettes Beiwerk war – die problemlose digitale Kontoeröffnung, bessere Sparerlebnisse, schnelle Zahlungen und Echtzeit-Überweisungen sowie Selbstbedienungsfunktionen – ist mittlerweile für die meisten Kunden der erwartete Standard.

Herausforderung #3: suboptimales Pricing

Die andauernde Gesundheitskrise hat auch zahlreichen US-Banken schrumpfende Margen beschert; häufig sind die Nettozinsmargen auf einem historischen Tiefstand. In Verbindung mit den bevorstehenden Änderungen bei den Überziehungsgebühren, ganz zu schweigen von dem intensiven Wettbewerbsumfeld, ist der Spielraum für Fehler bei der Preisgestaltung daher gefährlich gering.

Zudem sieht die derzeitige Wirtschaftslage ganz anders aus als bei der letzten Zinserhöhung der Zentralbanken. Analysten rechnen dieses Jahr mit drei bis sieben Zinserhöhungen in den USA. Steigende Löhne und eine galoppierende Inflation könnten die Federal Reserve auch zu aggressiveren Maßnahmen wie einer Zinserhöhung um 50 Basispunkte veranlassen.

Wenn es um die Preisgestaltung geht, müssen US-Banken deshalb darauf vorbereitet sein, flexibel und schnell zu reagieren. Kundenelastizitäten zu beherrschen und mit präzisem Pricing darauf zu reagieren, wird entscheidend sein, um die Zinssätze anzupassen und so die eigenen Portfolioziele zu erreichen. Und nur das kann Banken eine optimale Rentabilität garantieren. Eine präzise Preisgestaltung auf der Grundlage eines intelligenten Systems, das die verschiedenen Rahmenbedingungen berücksichtigt, unter denen eine Bank operiert – einschließlich Wettbewerb, Volumen, Marktanteil, Filialpräsenz, Risiko und Servicekosten – wird für diese Maßnahmen die Basis sein.

Herausforderung #4: keine personalisierten Kundenerlebnisse

Wie oben bereits beschrieben, erwarten Verbraucher in einer digitalen Welt zunehmend personalisierte Nutzererlebnisse. Laut einer Studie von New Epsilon bevorzugen 80 Prozent der Verbraucher von Marken zu kaufen, die eine persönliche Betreuung bieten. Durch die von ihnen erhobenen Daten haben Banken sehr gute Möglichkeiten, ihren Kunden maßgeschneiderte Botschaften sowie Marketing- und Produktempfehlungen zu präsentieren.

Allerdings arbeiten Banken traditionell mit voneinander unabhängigen Produktlinien, bei denen Wissen, Daten und Expertise in verschiedene Silos verteilt ist. Marketingkampagnen sind daher eher fragmentiert und produktorientiert und vernachlässigen die gesamte Beziehung zwischen Kunde und Bank. Personalisierung, bei der eine Bank die besten Angebote, Botschaften und Vorschläge auf Kunden zuschneidet, ist ein leistungsfähiges und effektives Mittel für bessere Kundenbeziehungen und steigendes Wachstum.

Marketing- und Pricing-Teams jedoch dazu zu bringen, nicht länger pauschale Marketingkampagnen durchzuführen, sondern vielmehr dem richtigen Kunden zum richtigen Zeitpunkt die richtige Botschaft zu übermitteln, ist ein mehrstufiges und komplexes Unterfangen. Banken müssen sich datenbezogenen, analytischen und organisatorischen Herausforderungen stellen, um eine solche Personalisierung zu ermöglichen, wenn sie ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten wollen.

Die kommenden Monate und Jahre werden eine Reihe unerwarteter Wendungen mit sich bringen. Dabei wird ein disziplinierter, strategischer Ansatz auf der Grundlage datengestützter Erkenntnisse der Schlüssel zum Erfolg sein.

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