Aus für provisionsbezogene Apothekenplattformen: Das jüngste Urteil des Karlsruher Landgerichts stuft das Plattformkonzept von DocMorris & Co. als unzulässig ein. Stationäre Apotheken verbuchen die Entscheidung als Gewinn – doch dieser könnte sich gar als Pyrrhussieg entpuppen. Die Branchenexperten Dr. Clemens Oberhammer und Jan Merkel der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners erklären, warum der Apotheke um die Ecke bald die Luft ausgehen könnte.
Ein System, das kränkelt: Beim digitalen Wandel im Gesundheitswesen blickt Deutschland auf jahrelange Versäumnisse und bildet im Ländervergleich eines der Schlusslichter. In den Schatten gestellt wird die Bundesrepublik vor allem von Australien, Belgien, Dänemark, Estland, Portugal und Schweden, deren E-Rezept-Lösungen obendrein mit einer elektronischen Patientenakte (ePA) verknüpft sind. E-Rezept und ePA – Themen, die Deutschland zwar nun umgesetzt, nicht aber ohne erhebliche Verzögerungen auf die Startbahn geschleppt hat.
Das jüngste Urteil des Landgerichts Karlsruhe zu Apotheken-Plattformen ist ein weiterer Indikator dafür, dass das beste analoge Gesundheitssystem der Welt auf digitaler Ebene hinterherhinkt. Während stationäre Apotheken derweil die Entscheidung feiern, die ihrer Auffassung nach zur Eindämmung der Online-Marktmacht beiträgt, entpuppt sich der vermeintliche Gewinn womöglich als Pyrrhussieg.
So bieten Marktplätze wie DocMorris Individualapotheken die Möglichkeit, am Online-Markt zu partizipieren. Mit der Einführung des elektronischen Rezepts ist es keine Frage, ob, sondern nur in welchem Ausmaß sich der 50 Milliarden Euro schwere Rx-Markt in Richtung online verschiebt. Ohne Plattformen für Apotheken wird die Teilnahme an diesem mangels ausgefeilter E-Commerce-Fähigkeiten und eines professionellen Online-Auftritts jedoch gehörig erschwert. Das Risiko, dass reine Online-Apotheken den Markt komplett übernehmen, steigt durch das Verbot von Apotheken-Plattformen somit enorm. Der Befund: Wirtschaftliches Endstadium – das Apothekensterben wird nicht aufgehalten, sondern weiter beschleunigt.
Und auch aus Patientensicht ist das Karlsruher Urteil eher hinderlich: Services wie Last Miler oder Online-Bestellungen bei der Apotheke um die Ecke werden mindestens erschwert, wenn nicht gar verhindert. Stattd]essen wenden wir uns also bei Risiken und Nebenwirkungen weiterhin per Telefon, Fax und Fußmarsch an unseren Apotheker.