Steigende Arbeitskosten und Engpässe belasten die Wirtschaftlichkeit des Logistiksektors und fordern Unternehmen heraus, Effizienz- und Belegschaftsmodelle neu zu überdenken.
Arbeitskräfte – der größte Kostentreiber der Logistikbranche – werden teurer und schwerer zu finden, was die Margen in der gesamten Wertschöpfungskette unter Druck setzt. In Deutschland steigt der gesetzliche Mindestlohn um 8,4 % im Jahr 2026 und weitere 5,0 % im Jahr 2027¹ ². Im Vereinigten Königreich ist ein 4,1-%-Anstieg des „National Living Wage“ geplant³, während die vereinbarten Löhne in Österreich bereits um 8,5 % für 2024/25 gestiegen sind⁴.
Gleichzeitig steht Europa vor einem akuten Fahrermangel von rund 426 000 offenen Stellen⁵ – eine Lücke, die weiter wächst, da mehr Fahrer in Rente gehen als neue nachrücken.
Für eine Branche, in der Personalkosten etwa die Hälfte der gesamten Betriebsausgaben ausmachen⁶, handelt es sich dabei nicht nur um eine vorübergehende Anpassung, sondern vielmehr um eine strukturelle Neuausrichtung von Kostenbasis und Wettbewerbsfähigkeit.
Margen unter Druck
Die Logistikbranche arbeitet traditionell mit geringen Gewinnspannen – EBIT-Margen liegen oft unter 6 %.
Ein Lohnanstieg von 8 % kann die Gesamtkosten um rund vier Prozentpunkte erhöhen – was zwei Drittel typischer Margen vernichten und viele Anbieter in die Verlustzone treiben würde.
Doch der Druck kommt von mehreren Seiten:
- Erweiterte Mautsysteme inklusive CO₂-Bepreisung⁷,
- höhere Finanzierungskosten,
- und eine über Ländergrenzen hinweg spürbare Lohninflation.
Die Insolvenzen kleiner und mittlerer Transportunternehmen stiegen im ersten Halbjahr 2025 um 12,5 %, wobei bis Jahresende über 22.000 Fälle erwartet werden – der höchste Stand seit 2015⁸. Das Transport- und Logistikgewerbe weist aktuell die höchste Insolvenzhäufigkeit aller Branchen auf: Es sind dabei rund 65 Fälle pro 10.000 Unternehmen. Die Ursachen liegen weniger im Lohnschritt 2026 als in dem kumulierten Kostendruck und erschöpften Rücklagen. Für viele Anbieter wird die bevorstehende Lohnsteigerung somit zum Kipppunkt zwischen Überleben und Konsolidierung.
Eine neue kommerzielle Logik
Ein reiner Preiswettbewerb ist nicht mehr tragfähig, wenn die Kosten für alle Unternehmen steigen.
Arbeitskosten sind nun die entscheidende Variable für Profitabilität in der Logistik.
Erfolg hängt künftig von kommerzieller Disziplin ab – also davon, zu verstehen, wo Wertschöpfung entsteht, wie Kosten glaubwürdig weitergegeben werden können und wie Ressourcen auf das profitable Geschäft konzentriert werden können.
Drei Entwicklungen prägen dieses neue Umfeld:
- Anhaltende Lohninflation. Mindestlohnanpassungen werden in Europa regelmäßig überprüft und an Preisentwicklung und Arbeitsmarktlage angepasst.
- Lohn-Spillover. Wenn Einstiegsgehälter steigen, ziehen qualifiziertere Positionen nach, um interne Lohngerechtigkeit zu wahren.
- Kundensensitivität. Kunden, die hohe Kosten erzeugen (z. B. durch starke Saisonalität) zeigen oft die geringste Zahlungsbereitschaft.
Das ist die neue Realität: Preissetzung, Vertragsgestaltung und Portfoliosteuerung entscheiden, wer 2026 wettbewerbsfähig bleibt.
Was jetzt zu tun ist
1. Preisexzellenz aufbauen
Die Preisverhandlungen für 2026 sind weitgehend abgeschlossen. Unternehmen, die keine ausreichenden Anpassungen erzielt haben, müssen früh in 2026 nachsteuern.
Der erste Schritt ist analytisch: Lohnwirkungen nach Funktion, Region und Kundentyp modellieren. Der zweite Schritt ist kommerziell: Diese Erkenntnisse in differenzierte Preisstrategien übersetzen – also eben dort höhere Sätze zu verhandeln, wo Servicequalität, Zuverlässigkeit oder Geschwindigkeit oder andere wertbezogene Faktoren echten Mehrwert bieten.
Kunden reagieren auf Fakten, nicht auf Appelle. Preisanpassungen sollten daher als notwendige Grundlage zur Sicherung von Qualität und Kapazität kommuniziert werden. Willkürliche oder schlecht erklärte Anpassungen stoßen auf Widerstand – transparente, wirtschaftlich begründete finden Akzeptanz.
Selbst mit stichhaltiger Begründung kann es dennoch zu temporärem Volumenrückgang bei margenstarken Kunden kommen. Programme zur Kundenbindung, flexible Kapazitätsoptionen oder Loyalitätsanreize helfen, Marktanteile rasch zurückzugewinnen, während sie die langfristigen Beziehungen zu den Kunden schützen.
Timing ist entscheidend. Wer im ersten Quartal 2026 handelt, gibt den Ton an. Wer wartet, verhandelt reaktiv – während sich der Kostendruck weiter aufbaut.
2. Vertragliche Resilienz schaffen
Die Vertragsstruktur entscheidet, ob steigende Arbeitskosten in nachhaltige Umsätze übersetzt werden. Zu viele Logistikverträge basieren noch auf fixen Raten oder manuellen Anpassungen, statt auf automatischen Mechanismen für strukturelle Kostenänderungen.
Ein resilienter Langzeitvertrag sollte eine multifaktorielle Indexierung enthalten – mit Verknüpfung zu Lohn-, Kraftstoff-, Maut- und Energieindizes. Diese Klauseln müssen automatisch und kurzfristig Anpassungen auslösen – über jährliche Neuverhandlungen hinaus.
Arbeitskosten-Klauseln, die an offizielle Lohnindizes gebunden sind, können außerdem sicherstellen, dass die Preise die Kostenrealität widerspiegeln.
Ebenso wichtig: ein strukturierter Zuschlagsmechanismus und die Fähigkeit zur Durchsetzung der Preise.
Neben Treibstoffzuschlägen werden künftig Kapazitäts- und Saisonzuschläge entscheidend sein, um Kostensprünge transparent zu kompensieren und das Kundenvertrauen zu erhalten.
Verträge ohne solche Regelungen verlagern das gesamte Arbeitskostenrisiko vollständig auf den Anbieter – ein Modell, das 2026 nicht mehr tragfähig sein wird.
3. Kundenbindung und Rückgewinnung in einem volatilen Umfeld
Mit signifikanten Preissteigerungen im Jahr 2026 werden selbst gut begründete Anpassungen dazu führen, dass manche Kunden alternative Anbieter testen. Das Management von Kundenabwanderung und die Rückgewinnung wertvoller Kunden wird damit zentral, um Margen zu schützen.
Führende Anbieter investieren in Abwanderungsprognosen und gezielte Win-back-Programme, um Risiken früh zu erkennen und gezielt gegenzusteuern. Predictive Analytics identifiziert Warnsignale – etwa sinkende Sendungsfrequenz oder unregelmäßige Buchungen – und ermöglicht proaktive Kundenbindung.
Wenn Kunden abspringen, ist das Warum entscheidend: Wenn der Grund der Preis war, können vorübergehende Loyalitätsanreize oder kurzfristige Promotions die Kundenbindung erneuern, ohne die langfristige Preisdisziplin zu untergraben. Wenn es die Servicequalität war, wirken verbessertes Kundenmanagement, maßgeschneiderte Lösungen oder vorrangiger Zugang zu Kapazitäten, um das Vertrauen wiederherzustellen.
2026 könnte auch Chancen eröffnen, ehemalige Kunden zurückzugewinnen, die angesichts der Marktveränderungen Partnerschaften neu bewerten. In einem Jahr mit weitreichenden Preissteigerungen und intensivem Wettbewerb werden vorausschauende Kundenbindungs- und strukturierte Rückgewinnungsstrategien ebenso wichtig sein wie das Pricing, um die Rentabilität und den langfristigen Kundenwert zu sichern.
Fazit: 2026 wird alles verändern
Die Lohnerhöhung im Jahr 2026 kommt nicht überraschend – sie ist eine geplante Umgestaltung der Kostenstrukturen. Die Arbeitskosten sind nun der zentrale Wettbewerbsfaktor in der europäischen Logistik.
Unternehmen, die jetzt handeln – durch konsequente Preissetzung, robuste Vertragsmechanismen und Fokus auf profitables Geschäft – können den Kostendruck in Preisexzellenz verwandeln. Wer wartet, riskiert schrumpfende Margen und hektische Nachverhandlungen. Die Botschaft ist klar: 2026 belohnt nicht die Abwartenden.
Die Kostensteigerung ist sicher – das Ergebnis nicht.
Quellen und Referenzen
- Tippunkt, Germany: Minimum Wage 2025, 2026 and 2027, September 2025. https://tippunkt.de/en/minimum-wage-germany/
- PKF Deutschland, Minimum Wage Amounts (EUR 13.90 / €14.60), Issue 9-25 (2025). https://www.pkf.de/en/pkf-magazine/issues/2025/issue-9-25/minimum-wage-amounts
- GOV.UK, National Living Wage Estimate Update, 5 August 2025. https://www.gov.uk/government/news/national-living-wage-estimate-update
- Statistik Austria, Index of Agreed Minimum Wages – annual development +8.5% in 2024, September 2025. https://www.statistik.at/en/statistics/labour-market/labour-costs-and-index-of-agreed-minimum-wages
- Business Wire / ResearchAndMarkets, European Road Freight Transport Market Report 2025: Persistent Driver Shortages with 426 000 Unfilled Positions, 2025. https://www.businesswire.com/news/home/20250701607310/en/European-Road-Freight-Transport-Market-Report-2025-European-Road-Freight-Faces-Persistent-Driver-Shortages-with-426000-Unfilled-Positions-ResearchAndMarkets.com
- DSLV Bundesverband Spedition und Logistik, Kostenstruktur im Straßengüterverkehr (2024). https://www.dslv.org
- Federal Office for Logistics and Mobility (BALM), CO₂-based Road Toll Expansion 2024. https://www.balm.bund.de
- Reuters, German Business Insolvencies Up 12.2% in H1 2025, 11 September 2025. https://www.reuters.com/markets/europe/german-business-insolvencies-up-122-first-half-year-2025-09-11/
- Financial Times, Temu and Shein Reshape European Logistics, 2024. https://www.ft.com
