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„Apps auf Rezept“ und der GKV-SV: Wie sich DiGA-Hersteller auf Preisverhandlungen vorbereiten können

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Rund anderthalb Jahre lang können in Deutschland nun DiGAs auf Rezept verordnet und durch die gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden. Dafür müssen sich DiGA-Hersteller und der Spitzenverband der GKV in Verhandlungen auf einen Preis einigen. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet eine Schiedsstelle über den Erstattungspreis. Wie können sich DiGA-Hersteller auf Preisverhandlungen vorbereiten? 4 Erkenntnisse aus den ersten Verhandlungen. 

Durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) offiziell geprüft und gelistet, können Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) seit Oktober 2020 in Deutschland auf Rezept verordnet und durch die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erstattet werden.  

Bislang können Hersteller von DiGAs auf Rezept ihre Preise im ersten Jahr der Erstattung selbst bestimmen. Ab dem 13. Monat gilt dann der zwischen dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und dem DiGA-Hersteller verhandelte Preis.  

Verhandlungen zwischen DiGA-Herstellern und GKV-SV: Erste Preisentscheidungen durch Schiedsstelle 

Die ersten Verhandlungen zwischen DiGA-Herstellern und dem Spitzenverband der GKV blieben jedoch erfolglos. In allen der bislang vier Fälle – drei Apps aus der Kategorie psychischer Erkrankungen, eine weitere aus dem Bereich Nervensystem – hat die Schiedsstelle die Erstattungspreise (Vergütungsbeträge) festgelegt. Dabei müssen Hersteller zum Teil erhebliche Preissenkungen in Kauf nehmen.  

Das neue Preisspektrum erstreckt sich von 210 Euro bis 243 Euro für eine Anwendungsdauer von 90 Tagen. DiGA-Hersteller mussten ihre frei gesetzten Preise aus dem ersten Jahr im Schnitt um die Hälfte senken. 

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Eine der zentralen Fragen, die sich aus dieser Situation ergibt: 

Wie können sich DiGA-Hersteller optimal auf bevorstehende Preisverhandlungen vorbereiten?  

Die folgenden vier Erkenntnisse aus den ersten DiGA-Verhandlungen geben Aufschluss. 

Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband: 4 Handlungsempfehlungen für DiGA-Hersteller  

1. Entwickeln Sie Ihre Evidenzstrategie im Einklang mit Ihrer zukünftigen Preisverhandlungsstrategie 

Die durch Studien gewonnene Evidenz wird für Vergütungs-/Pricing-Strategien immer relevanter. Aus den ersten DiGA-Preisverhandlungen geht hervor, dass der Preis im Wesentlichen durch das Ausmaß der positiven Versorgungseffekte bestimmt wird. In der Praxis wird zwischen zwei Faktoren unterschieden: dem Ausmaß der in den Studien gezeigten positiven Versorgungseffekte sowie der Qualität der eingereichten Studien. 

Damit heißt es: Qualität vor Quantität. Hersteller fahren besser, indem sie zwar wenige, dafür aber hochwertige Studien durchführen und vorlegen. Der Fokus sollte also auf einem starken Studiendesign im Einklang mit dem Verwendungszweck der DiGA und hohen Effektstärken liegen. 

Hersteller können außerdem in Erwägung ziehen, zur Stärkung der Verhandlungsposition zusätzliche Evidenz zu generieren. So etwa sind mit dem wachsenden Aufkommen von Apps auf dem DiGA-Markt in Zukunft vergleichende Studien gegenüber anderen DiGAs derselben Indikation denkbar. 

Die Vorbereitung auf die Vergütungsbetragsverhandlung beginnt für Sie als DiGA-Hersteller damit bereits bei Studienplanung und Evidenzgenerierung. Bei der Preisverhandlung sollten Sie ein starkes Evidenzpaket vorweisen, das beide Dimensionen – Ausmaß der Versorgungseffekte und Qualität des Nachweises – bedienen kann.  

2. Setzen Sie Ihren tatsächlichen Preis richtig 

Bei der Festsetzung ihres Launch-Preises sollten DiGA-Hersteller strategisch vorgehen, da GKV-SV und Schiedsstelle diesen neben den nachgewiesenen positiven Versorgungseffekten in die Preisfindung einbeziehen. 

Während tatsächliche Preise in den ersten DiGA-Verhandlungen von den Herstellern noch frei gewählt werden konnten, wird durch die Einführung von Höchstpreisgrenzen die Stellschraube zukünftig nur beschränkt bedienbar sein. Für DiGAs in Bereichen, bei denen Höchstbetragsgruppen noch nicht festgelegt wurden, besteht zwar weiterhin mehr Spielraum, doch auch dort wird langfristig die Deckelung nicht ausbleiben. 

Bei vorherigem Beschluss einer Höchstpreisgrenze müssen Sie sich – sofern Sie keine Ausnahmeregelung geltend machen – auf eine Absenkung des tatsächlichen Preises auf oder unter den Höchstbetrag einstellen.  

Zudem müssen im Zuge des BfArM-Antragsverfahrens Informationen wie Selbstzahlerpreise inklusive Preise für privat Versicherte oder Preise in anderen europäischen Ländern offengelegt werden. 

Eine durchdachte Festsetzung des Launch-Preises und sonstiger Preisabkommen ist damit essenziell. 

3. Kennen Sie Ihren Preisanker  

Zur Begründung der Preisforderung ziehen Hersteller und der GKV-SV entsprechend der DiGA und ihrem Anwendungsgebiet vergleichbare Therapieoptionen in der Gesundheitsversorgung heran. Diese liefern einen Anhaltspunkt dazu, inwieweit der Nutzen der DiGA monetarisiert werden kann.  

Bei der Ermittlung des Vergütungsbetrags spielen für den GKV-SV hier insbesondere vergleichbare Kosten der Gesundheitsversorgung eine Rolle. So bildeten in den drei abgeschlossenen Verfahren der DiGAs im Bereich psychischer Erkrankungen die GKV-Versorgungskosten zur psychotherapeutischen Behandlung den Ausgangspunkt für die Preisfindung. Berücksichtigt wurden dabei die Kosten von psychotherapeutischen Gruppentherapien mit neun Teilnehmern. 

Als DiGA-Hersteller müssen Sie also bei der Definition der Verhandlungsstrategie einen geeigneten Anker für die Preisfindung identifizieren und diesen optimal auslegen. Berücksichtigen Sie, dass womöglich schon ein klares Rechenmodell zur monetären Bewertung des Preisankers vorliegt, wie es im Bereich psychischer Erkrankungen gemäß den vorliegenden Schiedssprüchen der Fall ist. 

4. Erarbeiten Sie eine optimale Verhandlungsstrategie und -taktik 

  • Beginnen Sie mit der Verhandlungsvorbereitung bereits beim Antragsverfahren 

DiGA-Herstellern sollte bewusst sein, dass ihre Verhandlungsstrategie nicht erst beim ersten Verhandlungstermin feststehen muss. Es ist empfehlenswert, wenn bereits im Antragsverfahren zur Aufnahme der DiGA ins BfArM-Verzeichnis eine strategische Stoßrichtung erkennbar ist, da die dortigen Angaben bei der Preisbildung vom GKV-Spitzenverband berücksichtigt werden. 

DiGA-Hersteller sollten zudem sicherstellen, dass die im Antragsverfahren eingereichte Positionierung und Evidenzstrategie mit der zukünftigen Preisverhandlungsstrategie übereinstimmt. Vermeiden Sie, dass im DiGA-Verzeichnis veröffentlichte Informationen Aussagen enthalten, die die Argumentationsgrundlage in den Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband schwächen. 

  • Identifizieren Sie Ihre Verhandlungsstellschrauben und erarbeiten Sie eine übergreifende Strategie  

Des Weiteren ist es wichtig, alle wesentlichen Verhandlungsstellschrauben in der verhandlungsübergreifenden Strategie zu berücksichtigen. Preisanker, Evidenz und positive Versorgungseffekte sowie Preisinformationen sollten daher durch eine übergeordnete Strategie als passendes Dach präsentiert werden. 

Die bereits stattgefundenen Verhandlungen weisen auf einen eingeschränkten Spielraum hin. So wird es im Bereich der psychischen Erkrankungen schwierig sein, vom Rechenmodell der Schiedsstelle abzuweichen und einen anderen Preisanker als die von der Schiedsstelle festgelegten GKV-Versorgungskosten zur psychotherapeutischen Gruppenbehandlung zu rechtfertigen. Zudem besteht für App-Hersteller, für die es bereits Höchstbetragsgruppen gibt, wenig Spielraum, den tatsächlichen Preis zu beeinflussen.  

  • Kennen Sie Ihr Gegenüber 
    • Die Position des GKV-Spitzenverbands antizipieren: DiGA-Hersteller sollten die Position des GKV-Spitzenverbands antizipieren und eine Strategie für den Umgang mit Einwänden erarbeiten, um möglichen Kritikpunkten argumentativ begegnen zu können. 

      Dafür ist es wichtig, ein klares Bild vom Verhandlungspartner zu haben: Wie sind frühere Verhandlungen gelaufen? Welche Art von Vereinbarung wurde getroffen? Welche Verhandlungsstile und -techniken hat der jeweilige Verhandlungsführer eingesetzt? 

      Der GKV-SV ist für manche Hersteller kein unbekannter Verhandlungspartner. DiGA-Hersteller, die dem GKV-SV bereits in AMNOG-Verfahren begegnet sind, sind hier klar im Vorteil.  

    • Die Position einer möglichen Schiedsstelle antizipieren: Bevor Hersteller den Schritt Richtung Schiedsstelle wagen, sollten sie durch eine Chancen-Risiko-Analyse abwägen, ob sie ein besseres Verhandlungsergebnis als mit dem GKV-SV erreichen können.        Die ersten DiGA-Verhandlungen geben einen Einblick in die Preisgestaltung von Vergütungsbeträgen durch die Schiedsstelle und können bei der Antizipation deren Position unterstützen. 

Fazit: Frühzeitige Vorbereitung und strategisches Vorgehen helfen bei Preisverhandlungen mit GKV-SV und Schiedsstelle 

Ein starkes Evidenzpaket, ein klug gesetzter Launch-Preis, ein geeigneter Preisanker und die Antizipation der Verhandlungspartner vernetzt mit einer übergeordneten Verhandlungsstrategie – für Sie als DiGA-Hersteller essenziell, um Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband und der Schiedsstelle bestmöglich zu meistern. Besonders wichtig: Planen Sie frühzeitig! Die rechtzeitige Vorbereitung zahlt sich aus. 

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