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Vehicle-to-Grid: Jetzt braucht es smarte Monetarisierung und Vertragswerke

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Elektronische Ladestation

Strom nicht nur tanken, sondern auch zurück ins Netz einspeisen: Verbraucher, Kraftfahrzeughersteller und Energieversorger diskutieren kontrovers über die Vehicle-to-Grid-Technologie für Elektroautos. Das Problem: Noch fehlen die richtigen Monetarisierungsmodelle und Vertragswerke, damit alle Stakeholder profitieren. Es braucht Pilotprojekte, Transparenz und rechtliche Leitplanken – und zwar jetzt.

Mit zunehmender Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen steigt die Volatilität im Stromnetz und damit die Häufigkeit kritischer Netzschwankungen. Der Einsatz neuer Lösungen ist daher unabdingbar, um die saisonale Verfügbarkeit von Wind- und Sonnenenergie auszugleichen.

Genau eine solche Abhilfe bietet das „Vehicle-to-Grid Konzept“ für Elektroautos, das sich die bidirektionale Verwendung von Autobatterien zu Nutzen macht. Das Potential dieser Batterielösung ist enorm und beläuft sich, gemessen an den zugelassenen Elektrofahrzeugen in Deutschland, auf bis zu 33,6 GWh (Stand Oktober 2022; ~840.000 zugelassene BEV [1] bei einer durchschnittlichen Batteriekapazität von 40 kWh). Studien und Pilotversuche zeigen auf, wie Vehicle-to-Grid (V2G) schon heute zur Netzsicherheit beitragen kann und gleichzeitig ein beachtliches Umsatzpotential bietet.

Elektroautofahrer verunsichert: Kann der Staat den Stecker ziehen?

§ 14 des Deutschen Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) regelt die „netzorientierte Steuerung“ im Stromverteilnetz von elektrischen Wärmepumpen, Batteriespeichern, Klimaanlagen und Elektroautos. Der Netzbetreiber soll in den Betrieb der Anlagen eingreifen können. Heißt dies nun, dass der Verteilnetzbetreiber im Falle einer drohenden Überlastung des Stromnetzes darüber bestimmen kann, ob der Ladevorgang für das Elektroauto für ein paar Stunden unterbrochen wird? Grundsätzlich lautet die Antwort: Noch nicht. In der Zukunft aber vielleicht schon. Aktuell fehlt es noch an genauen Regelungen. Erst Ende des Jahres wird mit einer Ausarbeitung der Bundesnetzagentur gerechnet.

Das Problem? Auch objektive Medienberichte, wie beispielweise der Handelsblatt-Artikel «Wenn die Stadtwerke dem Elektroauto den Stecker ziehen» lösen bei Elektroautofahrern und potenziellen Neukunden erst einmal Ängste aus. Die Chancen für die Besitzer von Elektroautos gehen gleichzeitig oft unter. Ohne klare Regelungen könnten daher die Absatzzahlen sinken. Eine Tatsache, die vor allem auch Autoherstellern bitter aufstößt.

E-Autos sind die Lösung, nicht das Problem

Besonders in einem emotional aufgeladenen Diskurs bedarf es daher eines Blickes auf die Fakten. Es gilt die Frage zu klären, ob Elektroautos bei einer Überlastung des Stromnetzes überhaupt problematisch oder vielmehr förderlich für die Netzstabilität sind. Tatsächlich sehen aktuelle Studien und Testversuche mit E-Autos vielmehr die Lösung im Vordergrund als ein Problem.

Individuelles Ladeverhalten berücksichtigen

So ist es dem deutschen Übertragungsnetzbetreiber Tennet und dem ebenfalls aus Deutschland stammenden Stromspeicherhersteller sonnen in Zusammenarbeit laut eigenen Aussagen bereits gelungen, Netzstabilisierung durch die Nutzung der Speicherkapazitäten von E-Autos zu erzielen. Diese Strategie ermöglicht es den beiden Unternehmen, die Ladevorgänge aller am Netz angeschlossenen E-Autos auszugleichen, über eine längere Zeitspanne zu distribuieren und somit Lastspitzen zu umgehen. Gleichzeitig werden jedoch die individuellen Nutzungsmomente von Elektroauto-Besitzern nicht eingeschränkt.

Ein weiterer Vorteil: Netzbetreiber profitieren von Systemdienstleistungen: Autobatterien leisten Regelleistung und können Frequenzabweichungen im Stromnetz ausgleichen. Tennet erläutert: „Das so gesteuerte Ladeverhalten stabilisiert das Stromnetz gleich auf zwei Ebenen, und das ohne Einschränkungen für die Nutzung der Fahrzeuge“ [2].

Senkung der Stromkosten ist belegt

Weitere Erkenntnisse zu den positiven Effekten des Vehicle-2-Grid-Konzeptes liefert eine neue Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich [3]. Darin wird aufgezeigt, dass die Kosten im Schweizer Stromsystem durch die systematische Verwendung von Fahrzeugbatterien als Speicher massiv gesenkt werden können. Gemäß den Verfassern können bis 2050 rund 6,5 Mrd. CHF (Schweizer Franken) an Kosten eingespart werden. Die Reduktion beläuft sich somit auf circa 14 %.

Die positiven Kostenauswirkungen seien im Wesentlichen durch drei zentrale Faktoren bedingt. Einerseits steigt die Nutzungseffizienz von erneuerbarem Strom durch Elektro-Autos um bis zu 70 Prozent. Möglich macht dies die Speicherfähigkeit der Batterien, welche bei starker Produktion Strom aufnehmen und diesen in Zeiträumen niedriger Produktionsauslastung wieder zur Verfügung stellen. Auf diese Weise sollen bis 2050 über 55 TWh an zusätzlichem Strom im Wert von 1 Mrd. CHF in das Netz eingespeist werden.

Andererseits unterstützen Fahrzeugbatterien auch bei der Nachfragedeckung während einer Energiemangellage. Somit entfällt bei Knappheit die Nutzung von kostspieligen fossilen Notstrom-Aggregaten. Nicht zuletzt generieren E-Auto-Batterien eine höhere Flexibilität bei der Nutzung von Unterschieden in den Marktpreisen, da während Preisspitzen eine geringere Abhängigkeit von Importen besteht.

Pro E-Auto mindestens 650 € Einnahmen

Ein weiteres Beispiel aus Deutschland liefert The Mobility House. Das Unternehmen hat im Rahmen einer Untersuchung mit E-Auto-Batterien, Verbrauchs- und Ladeprofile und Marktdaten zwei Bereiche untersucht. Einerseits wurden zeitliche Veränderungen des Ladevorgangs geprüft und andererseits V2G. Durch dieses Vorgehen konnten in der ersten Jahreshälfte 2022 durch Vermarktung an der europäischen Strombörse (EPEX Spot) pro Auto aufs Jahr ausgelegt, Einnahmen im vierstelligen Bereich erreicht werden [4].

Ausgebremst: Was fehlt für die flächendeckende Nutzung von V2G?

Trotz der zahlreichen Vorteile von V2G gibt es einige Faktoren, die den flächendeckenden Einsatz der Technologie bis heute hemmen. Diese Faktoren umfassen vor allem drei Bereiche: technische Voraussetzungen, branchenspezifische Gegebenheiten und regulatorische Vorgaben, welche einen kommerziellen Nutzen von V2G heute fast unmöglich machen.

Technik: Autobatterien und Ladesäulen unzureichend

In Bezug auf die technischen Voraussetzungen gilt es noch Fragen im Hinblick auf die Systemsicherheit der Autos oder der Lebensdauer der Batterien zu klären. Auch der standardisierte Zugriff auf die Autobatterie, unabhängig vom Autohersteller, ist noch nicht abschließend geklärt.

Letzten Endes ist für den kommerziellen Einsatz von V2G aber auch die Ladestation selbst entscheidend. Einerseits muss die Ladestation – sei dies eine Wallbox oder eine Schnellladesäule – bi-direktionales Laden grundsätzlich ermöglichen und andererseits muss auch eine entsprechende Leistung für die (Ent-)ladevorgänge zur Verfügung stehen. Denn: Eine herkömmliche Wallbox mit durchschnittlich nur 7 kW Leistung reduziert das Potential der Monetarisierung erheblich.

Engagement: Mangel bei Implementierung und Zuständigkeiten

Aber auch auf Branchenseite bestehen noch einige Herausforderungen, die bewältigt werden müssen. Zum einen ist der Smart-Meter-Rollout inklusive einer 15-minütigen Bilanzierung der Energie eine absolute Basisvoraussetzung für eine kommerzielle Nutzung der V2G-Technologie. Zum anderen muss die Rolle der Energieversorger im Zusammenhang mit V2G noch besser geklärt werden. Denn sie besitzen die Hoheit über die Zählpunkte in ihren Bilanzkreisen, welche für das Funktionieren der Energiebranche unabdingbar sind.

Energieversorger müssen eine tragende Rolle für V2G spielen, da die Flexibilitäten, wie z.B. PV-Anlagen, Speicher, oder eben Elektrofahrzeuge, an diesen Zählpunkten angeschlossen sind und somit in deren Bilanzkreis fallen. Dies ist insbesondere wichtig, da für ein Funktionieren des Systems weitere Investitionen für Steuerungs- und Messtechnik notwendig sind, welche gegebenenfalls an die IT-Systeme der Energieversorger angeschlossen werden müssen.

Gesetze: Ladestationen-Ausbau scheitert an langwierigen Verfahren

Der vielleicht größte Baustein: Gesetzliche Regelungen im Bereich der Elektromobilität sowie die gesamtheitliche länderspezifische oder sogar europaweite Ausbaustrategie. Denn um z.B. das Ziel von 1 Mio. Ladestationen bis 2030 (aktuell zählt man laut der Behörde heute rund 70.000 öffentliche Ladestationen) in Deutschland zu erreichen, welches sich die Bundesregierung gesetzt hat, müssten pro Jahr mehr als 100.000 Ladestationen gebaut werden. Mit Blick auf diese Ausbauzahl ist insbesondere bemerkenswert, dass im Jahr 2022 in Deutschland nur gerade 6.119 Neuinbetriebnahmen öffentlicher Ladestationen zu verzeichnen waren.

Ein möglicher Grund sind die langwierigen und komplexen Baugenehmigungsverfahren von öffentlichen Ladestationen. Denn sie unterliegen den Gemeinden, die den Ausbaufortschritt u.a. durch Einsprüche verzögern oder sogar blockieren können. Daher müssen zeitnah Lösungen gefunden werden, um den Ausbau der Infrastruktur zu beschleunigen.

Komplexer geht es kaum: Wer blickt hier noch durch?

Leider bleibt es nicht bei den drei Problemfaktoren Technik, Branchen-Engagement und Gesetzeslage. So steht zudem die Frage im Raum, wie eine V2G -Anwendung in Bezug auf Netzentgelte zu behandeln ist. Einerseits findet eine Rückspeisung ins Netz statt, andererseits unterstützt die Technologie die Netzstabilität signifikant und könnte diesbezüglich gesondert behandelt werden. Hierauf gibt es aktuell ebenso wenig eine Antwort, wie auf die Frage, ob die Systeme von jedem einzelnen Autohersteller präqualifiziert werden müssen oder ob ein genereller Standard zu gelten hat.

Das Problem hinter dem Problem: Es handelt sich um ein extrem komplexes System. So müssen die externen Einflussfaktoren bedacht und neben den Energieflüssen auch Daten- und Geldströme berücksichtigt werden. Selbst die vereinfachte Darstellung des V2G-Ökosystems (siehe Abb. 1) zeigt: Alles ist miteinander verbunden. Silo-Lösungen werden daher nicht funktionieren. Es braucht einen ganzheitlichen Ansatz.

Vehicle-to-Grid (V2G)-Ökosystem – vereinfachte Darstellung
Vehicle-to-Grid (V2G)-Ökosystem – vereinfachte Darstellung

 

Erlöse überzeugen: Wer kann an V2G verdienen?

Um die Interessen aller Teilnehmer zu berücksichtigen und eine stabile Grundlage für flächendeckendes V2G zu schaffen, bietet sich vor allem eine Lösung an: die Monetarisierung von V2G. Dabei stehen drei zentrale Stakeholder im Fokus:

  • Besitzer von E-Autos: V2G stellt für sie eine Win-Win Situation dar: Sie leisten einen Beitrag zu Netzstabilität und erhalten dafür sogar eine monetäre Vergütung. Das wiederum incentiviert E-Autofahrer zu mehr flexiblen Ladeverhalten.
  • Original Equipment Manufacturer (OEM): Neben der Nachfrage nach bidirektionaler Lademöglichkeit durch E-Autofahrer können OEMs durch regulatorische Verpflichtung sowie entsprechende Vergütung zum Einbau der Option als Standard in ihren Fahrzeugen incentiviert werden.
  • Energieversorger: Für Energieversorger oder Aggregatoren von Elektro-Autos zu virtuellen Kraftwerken muss die verfügbare Kapazität aus Elektrofahrzeugen groß genug sein, um eine entsprechende Handelsposition am Intraday-Markt anbieten zu können und entsprechende Investitionen in Steuer- und Messgeräte (Smart Meter) zu rechtfertigen.

 

Monster-Verträge: Mit Smart-Contracts erfolgreich monetarisieren

Die Monetarisierung von V2G hängt somit stark von den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den verschiedenen beteiligten Parteien ab, die aufgrund verschiedener Faktoren sehr komplex werden können. Die vertragliche Ausgestaltung kann beispielweise durch die Anzahl beteiligter Parteien erschwert werden (z. B. Eigentümer von E-Fahrzeugen, Energieversorger, Autohersteller oder Drittanbieter-Aggregatoren, CPOs, MSPs).

Auch spezifische Bedingungen für V2G-Transaktionen, wie beispielsweise vereinbarte Nutzungsbeschränkungen, können eine simple Vertragserstellung verhindern. Nicht zuletzt spielt auch die erhöhte Anzahl von Transaktionen, die auf dem Laden und Entladen der E-Fahrzeuge basiert, eine Rolle.

Wie V2G trotzdem erfolgreich monetarisiert werden kann?

Smart Contracts, also selbstausführende Verträge, bei denen die Bedingungen der Vereinbarung zwischen verschiedenen Parteien direkt in Codezeilen geschrieben werden können eine valide Lösung sein. Sobald die vordefinierten Bedingungen erfüllt sind, (z. B. Marktpreisschwelle, verbleibende Ladung des E-Fahrzeugs, etc.), kommt es zur automatischen Transaktion. Damit ist nicht nur sichergestellt, dass die Voraussetzungen von Elektroauto-Besitzern und Fahrzeughersteller erfüllt sind, es entfällt auch ein Zwischenhändler.

Dynamische Preise als Erfolgsfaktor

Außerdem bedarf es einer klaren dynamischen Preisgestaltung, um V2G-Transaktionen für alle Beteiligten effizienter und wirtschaftlich rentabler zu machen. Mit Hilfe von dynamischen Echtzeit-Preisanpassungen auf Basis aktueller Marktbedingungen kann der optimale Zeitpunkt für das Laden und Entladen des Elektrofahrzeugs bestimmt werden. Für die Preisgestaltung sind insbesondere zwei Use Cases für die Anwendung von V2G zu betrachten:

  • Use Case 1 – Solaranlagebesitzer: Kunden mit einer eigenen Solaranlage sehen V2G als zusätzlichen Speicher für ihre selbstproduzierte Energie, um den Eigenverbrauch zu optimieren. Bei der Ausgestaltung des Preises sind daher der Preis und das Einsparungspotenzial eines installierten Speichers zu bewerten. Dabei ist zwingend der fehlende Zuschuss durch die Eigenverbrauchsoptimierung bei Nutzung des Fahrzeuges bei Sonnenschein abzuziehen und auch die Mobilitätseinschränkung des Nutzers bei einer unvollständigen Ladung einzukalkulieren.
  • Use Case 2 – Angebot des privaten Fahrzeugs: Kunden bieten ihr Elektrofahrzeug als Puffer für das Netz an. Bei der Preisgestaltung muss dabei berücksichtigt werden, dass Kunden so nahe an einem 100 % State-of-Charge sein möchten wie nur möglich, auch in einem Szenario, bei dem sie das eigene Fahrzeug den Energieversorgern oder Netzbetreibern anbieten. Aus Kundensicht stellt die „Range Anxiety“ die wohl größte Hürde für V2G dar. Kurzfristig kann die Sorge der „Range Anxiety“ nur über hohe Preisprämien kompensiert werden. Mittelfristig werden größere Batteriekapazitäten und Fahrzeugreichweiten sowie flächendeckende Schnellladestationen diese Angst entschärfen können, was eine Reduktion der Preisprämie zur Folge haben würde.

 

Kunden an die Macht: Akzeptanz durch Einfluss

Endkunden werden V2G aber erst dann vollständig akzeptieren, wenn sie selbst Nebenbedingungen definieren können. Sie also z.B. Einfluss auf den V2G-Algorithmus haben, der ihr Fahrzeug be- und entlädt. Stellt der Endkunde wenig Bedingungen, führt dies zu hoher Flexibilität für das Netz, bzw. den Handel, was zu einer hohen Preisprämie beim Endkunden führen muss.

Schon in naher Zukunft könnte dann eine Vielzahl an Nebenbedingungen zum Tragen kommen (siehe Abb. 2). Besitzer von E-Autos könnten dann z.B. mehr verdienen, wenn sie viele Kilowattstunden einspeisen, ihr Auto besonders lange oder zu Tageszeiten mit hoher Stromnachfrage zur Verfügung stellen. Auch wer beim Ladestatus flexibler ist und nicht in kurzer Zeit einen sehr vollen Akku braucht, könnte zusätzliches Geld einnehmen. Extraprämien könnte es zudem für Teilnehmer an Standorten mit sehr volatiler Produktion (z. B. Region, die auf Windenergie setzt) geben.

Mögliche Einflussfaktoren auf die Gewinnspanne für E-Autobesitzer
Mögliche Einflussfaktoren auf die Gewinnspanne für E-Autobesitzer

 

Fazit: Wir müssen schneller größer denken

Letzten Endes zeigt sich, dass für eine optimale Nutzung der Elektrofahrzeuge im Energiesystem dedizierte Produkte, welche die Elektromobilität miteinschließen (z. B. dynamische Tarife), notwendig sind. Diese werden durch Energieversorger oder Aggregatoren mit direktem Zugang zum Großhandel/zur Strombörse angeboten. Nur so kann die komplexe V2G-Technologie entsprechend abgebildet und das Einsparpotenzial der Stromkosten, bzw. die Mehrverdienstmöglichkeiten für die Endkunden, aufgezeigt und kommunikativ transparent gemacht werden, um die Akzeptanz einer V2G-Bereitstellung zu erhöhen.

Um diese Zukunftsvision jedoch realisierbar zu machen, sind unmittelbar auch größere Pilotprojekte notwendig. Die in diesem Artikel aufgeführten Test-Projekte haben gezeigt, dass V2G einerseits Flexibilitäten für die Energiebranche bieten kann und andererseits auch ein großes Monetarisierungspotential in dieser Technologie besteht. Nun ist es jedoch an der Zeit, die noch bestehenden Herausforderungen in der Technik, der Regulierung aber auch in der Energiebranche schnellstmöglich in einem größeren Umfang aufzudecken. Darüber hinaus sind, basierend auf den bisherigen Erkenntnissen, entsprechende Leitplanken zur weiteren Förderung der Elektromobilität im Allgemeinen und der V2G-Technologie im speziellen zu erarbeiten.

Let’s start: Das können Stakeholder jetzt machen

Produktentwicklung, Gesetzeslage, Pilotprojekte: Nicht alle Faktoren können die Stakeholder selbst bzw. im Alleingang beeinflussen. Das heißt aber nicht, dass Beteiligte jetzt erst einmal abwarten sollten. Ganz im Gegenteil – die Zeit der Ausreden ist vorbei. Folgende drei Hebel können Energieversorger, Plattformbetreiber und Autohersteller schon jetzt umlegen:

  • Vorteile klar kommunizieren: Das Thema Vehicle-2-Grid muss auf die Agenda. Intern, aber auch in der externen Kommunikation. Ein Schritt, der sich sofort umsetzen lässt. Was wichtig ist? Die Kommunikationsstrategie muss klar zeigen, was die Vorteile der Systemnutzung sind und warum dies eine Wertsteigerung für den Nutzer bedeutet. Außerdem gilt: Missverständnisse müssen ausgeräumt und Vorbehalte abgebaut werden. Die Diskussion ist noch zu sehr von Furcht und Falschinformationen geprägt. Umso wichtiger ist es, gezielt und transparent zu informieren und besonders Angst-Themen wie „Range Anxiety“, reduzierte Batterieleistung und Datensicherheit proaktiv anzusprechen und mit Mythen aufzuräumen.
  • Schnell eine kritische Masse überzeugen: In „Plattform“-Business-Modellen wie bei V2G besteht auch heute noch ein Henne-Ei Problem. Nutzer und Energieanbieter sind abhängig voneinander und die Plattformbetreiber müssen beide Parteien gleichermaßen anziehen. Hier gilt es, sich zu trauen und den ersten Schritt zu gehen, um rasch eine kritische Masse vom Konzept zu überzeugen. Energieversorger, Plattformbetreiber und Autohersteller können aktiv den Austausch miteinander suchen, und so ein positives Signal in Richtung weitere Investitionen setzen. Im besten Falle wird das das Commitment ei direkt durch Taten untermauert. Auch Konsumenten können durch aktive Anfragen nach V2G zum Erfolg des Konzeptes beisteuern.
  • Kenne deine Nutzer: Die Devise lautet: Potenzielle Kunden verstehen und für eine heterogene Nutzerbasis sorgen. Während private Besitzer von Elektroautos nur mit Vorsicht größere Investitionen tätigen, haben Geschäftskunden mit großen Fahrzeugflotten mehr Möglichkeiten, selbst die Finanzierung in notwendige Infrastrukturen zu übernehmen. Akteure, die am Betrieb der Anlagen und der Vermarktung der Energie beteiligt sind, müssen deshalb ein breites Spektrum an Nutzern ansprechen. Nur wer mit einer Vielfalt an Kundensegmenten ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage erreicht und so die Flexibilität des Nutzer-Pools erhöht, wird zukünftig erfolgreich monetarisieren können.

 

[1] BEV = Battery Electric Vehicle.
[2] Energate Messenger, Februar 2023
[3] ETH Zürich, 2023
[4] pv magazine, 2023

Der Artikel ist ursprünglich im Mai 2023 in et – Energiewirtschaftliche Tagesfragen erschienen.

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