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Wettbewerbspricing: der richtige Umgang mit „dem Marktpreis“ im Großhandel

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Die stärkere Nutzung von digitalen Vertriebskanälen erhöht auch in B2B-Branchen die Preistransparenz. Das versetzt so manchen Großhändler in Panik – muss sich jetzt alles an Marktpreisen orientieren? Finden Sie heraus, warum die Antwort darauf durchaus differenziert sein muss und welche Faktoren im Großhandel Margen sichern.

Die Digitalisierung beeinflusst den Großhandel stärker denn je: Die zunehmende Preistransparenz durch Plattformen, Vergleichsportale und Webshops erhöht den Druck auf Preise und Margen. „Der Kunde hat den vollen Durchblick und wählt immer das günstigste Produkt aus“: So lautet zumindest das Schreckensszenario vieler Großhändler. „Wir müssen uns am Marktpreis orientieren“ ist daher die gängige Schlussfolgerung. Doch stimmt das überhaupt? Nicht unbedingt!

Zunächst einmal gilt: Der Preis eines Artikels ist nur eines von mehreren Kaufkriterien. Im B2B-Bereich spielen viele weitere Faktoren wie Verfügbarkeit, Lieferzeit oder Service eine mindestens ebenso große Rolle bei der Kaufentscheidung.

Ob man sich als Großhändler am Wettbewerb orientieren möchte, hängt außerdem von der Marktpositionierung an sich ab. Marktführer können Preise proaktiv vorgeben, während sich die Marktfolger eher an den Preisen der Führer orientieren müssen. Die Rolle des Wettbewerbspreises ist außerdem unterschiedlich wichtig je nach Artikelrolle – Schnelldreher sollten demnach stärker am Wettbewerbspreis orientiert werden, bei Langsamdrehern haben Sie mehr Preisspielraum.

Großhändler, die eine Wettbewerbspricing-Strategie anwenden wollen, stehen erst einmal vor zwei grundlegenden Problemen: 

Herausforderung #1: Es gibt nicht „den Marktpreis“

Es ist durchaus richtig, dass in allen Branchen – B2C und B2B – durch einen höheren Online-Anteil an den Umsätzen die Preistransparenz steigt. Hat der klassische Großhändler vor zehn Jahren noch mehr als 90 Prozent seiner Waren per Telefon, E-Mail und Fax verkauft, so hat sich die Situation umgekehrt: Die Online-Kanäle machen mittlerweile bei vielen den Großteil der Umsätze aus. Doch was bedeutet das für die Preisgestaltung? 

Im Optimalfall kennen Sie für jeden Artikel den entsprechenden Wettbewerbspreis. Sich am Marktpreis zu orientieren, birgt jedoch Schwierigkeiten, denn den einen Marktpreis gibt es schlicht nicht. Vielmehr existieren hunderte verschiedene Marktpreise – für jedes Produkt und jeden Kunden einen eigenen. 

Ziel muss es daher sein, den relevanten Wettbewerbspreis für ein bestimmtes Produkt und eine bestimmte Situation zu ermitteln – sonst verschenken Unternehmen Preispotenzial. 

Herausforderung #2: Der Kunde sieht alles, der Großhändler nichts

Das ist jedoch für die meisten Großhändler ein Problem. Zwar glauben sie häufig, dass sie einen guten Überblick über die Wettbewerbspreise haben. Über konkrete Daten verfügen aber nur die wenigsten. Bauchgefühl und punktuelle Recherchen statt einer konkreten Datenbasis – das ist keine gute Grundlage für eine umfassende Markbetrachtung. 

Wer sich hier jedoch auf solideren Boden stellen will, steht im B2B-Bereich vor einer Reihe von Herausforderungen:

  1. Preislisten sind nicht frei zugänglich, fast alle Webshops benötigen einen persönlichen Kunden-Account
  2. Selbst mit Zugang zu „geschlossenen“ Webshops sind die dort veranschlagten Preise meist kundenspezifisch segmentiert, gelten also nur für Kunden einer bestimmen Größe, mit spezifischen Umsätzen usw. Wie der Preis für andere Kundensegmente ist, bleibt unklar
  3. Preise ändern sich häufig. Das bedeutet, selbst wenn Unternehmen es schaffen, sich Preislisten von Wettbewerbern zu verschaffen, könnte diese schon längst wieder veraltet sein

Eine Transparenz über Wettbewerberpreise zu erhalten, ist also tatsächlich sehr schwierig. 

Mehr Überblick gewinnen

Wie können Großhändler hier Abhilfe schaffen? Für mehr Transparenz sollten Sie zuallererst sichergehen, dass Sie alle im Markt verfügbaren Daten – soweit rechtlich zulässig – systematisch sammeln. Dabei ist der erste Kontaktpunkt der Vertrieb – zapfen Sie das Wissen Ihres Teams an. Denn Ihre Mitarbeiter erhalten in Außendienstgesprächen häufig Preislisten oder bekommen hier und da mal Zugriff auf einen Webshop. Diese Kenntnisse sollten Sie in klar definierten Prozessen anhäufen und aufbereiten, beispielsweise mithilfe einer zentralen Datenbank oder eines CRM-Systems. Neben einem eindeutig ausgestalteten Prozess benötigen Sie dann auch klar kommunizierte Verantwortlichkeiten. 

Neben dem Know-how können Sie weitere Quellen hinzuziehen, etwa Marktforschungs- oder Benchmark-Daten. Evaluieren Sie auch, welche Möglichkeiten Ihnen automatisierte Suchmaschinen bieten. Jedoch: Prüfen Sie stets gründlich, ob Sie sich im rechtlich zulässigen Rahmen bewegen.

Besseres Pricing dank neuer Daten

Sie haben also alle verfügbaren Ressourcen genutzt, um den bestmöglichen Überblick über vorhandene Wettbewerbspreise zu erhalten. Was ist der nächste Schritt? Generell gibt es zwei Ansatzpunkte, um diese Informationen in Ihr Pricing einfließen zu lassen:

  1. Definieren Sie einen Wettbewerbskorridor: Sie legen um den Wettbewerbspreis für ein bestimmtes Produkt bzw. eine bestimmte Kundengruppe eine Preisspanne – den Korridor – fest. Liegt der interne Zielpreis außerhalb dieses Bereichs, so passen Sie ihn an. Liegt er bereits innerhalb des Korridors, ist keine Anpassung nötig.
  2. Arbeiten Sie mit Zielpreisen: Hierbei bilden Sie aus den gesammelten Wettbewerbspreisen einen Zielpreis. Dieser orientiert sich dabei häufig an dem günstigsten bekannten Wettbewerbspreis. Großhändler mit hoher Pricing-Expertise differenzieren den Zielpreis dann noch nach Produktkategorie. So ergab sich der Zielpreis bei einem führenden IT-Großhändler bei A-Produkten aus dem günstigsten, bei B-Produkten aus dem durchschnittlichen und bei C-Produkten aus dem teuersten Wettbewerbspreis.
    Best-in-Class-Großhändler gehen noch einen Schritt weiter und berücksichtigen zudem die Preiselastizität der Produkte, um die optimale Zielpositionierung bzw. den optimalen Preisabstand zum Wettbewerber zu finden. Je relevanter der Wettbewerbspreis, desto eher sollte diese zweite Option gewählt werden.

Erfolgsfaktoren für wettbewerbsfähiges Pricing

Auch wenn Sie nicht das klassische Wettbewerbs-Pricing bei Ihren Produkten oder Dienstleistungen anbieten wollen, so können Sie doch die gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um sich mittels smarter Preissetzungen vom Wettbewerb abzuheben. Diese Prinzipien verhelfen Ihnen dabei zum Erfolg: 

  • Definieren Sie Ihre gewünschte Preispositionierung: Quantifizieren Sie Ihren Mehrwert gegenüber Ihren Wettbewerbern und positionieren Sie sich dementsprechend.
  • Seien Sie agil: Preise verändern sich ständig. Daher sollten Sie Wettbewerbspreise regelmäßig sammeln, um bei Bedarf Ihre Preise zügig anzupassen.
  • Nicht jeder Wettbewerbspreis ist gleich wichtig: Berücksichtigen Sie nur die relevanten Wettbewerber beziehungsweise nur die relevanten Vergleichsplattformen. Machen Sie Preischecks, um unrealistische Preise herauszufiltern.
  • Vermeiden Sie Durchschnittspreise: Kunden orientieren sich immer an relevanten Preispunkten. Es macht daher wenig Sinn, sich genau zwischen zwei Wettbewerbern zu positionieren. Stattdessen sollten Sie die Relevanz der verschiedenen Wettbewerbspreise genau verstehen und Ihren Preis entsprechend auf oder leicht unter die relevanten Wettbewerbspreise legen.
  • Berücksichtigen Sie weitere Faktoren: Folgen Sie dem Wettbewerbspreis nicht in jedem Fall. Definieren Sie zum Beispiel Mindestmargen, um Preisspiralen zu vermeiden und Ihre Profite abzusichern. Ausnahmen sind, etwa für Eigenmarken, möglich; diese können stärker nach strategischen Gesichtspunkten bepreist werden.
  • Ohne Tools/Software-Support keine Transparenz: Bauchgefühl und Excel waren gestern. Nur mit den entsprechenden Tools können effizient große Datenmengen gesammelt und strukturiert werden. 
  • Betreiben Sie Monitoring: Beobachten Sie die Entwicklungen genau. Das Marktumfeld ist sehr dynamisch, daher können sich die Implikationen für das eigene Pricing schnell ändern. Wer sind Preisführer, wer -Folger? Wer versucht sich Marktanteile zu erkaufen? Entstehen Preisspiralen und tragen Sie sogar dazu bei? Nur wer Transparenz hat, kann gezielt reagieren und steuern.

Fazit: Besseres Pricing sichert Wettbewerbsvorteile

Durch steigende Preistransparenz wird das wettbewerbsbasierte Pricing immer stärker an Relevanz gewinnen. Ein genaues Verständnis der Marktpreise ist daher essenziell. Nur wer sie geschickt im eigenen Pricing berücksichtigt und seine Preispositionierung aktiv steuert, wird erfolgreich sein. Viele Großhändler arbeiten noch mit sehr rudimentären Ansätzen, sodass bereits geringfügige Verbesserungen schnell zum Wettbewerbsvorteil werden können. Geschickte Strategien helfen dabei, Ihr Wettbewerbspricing effektiv zu optimieren.

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