In den letzten zehn Jahren setzen Chemieunternehmen zunehmend auf externe Partner – zur geografischen Expansion, zur Fokussierung des Direktvertriebs auf das Kerngeschäft und zur kosteneffizienten Erschließung kleiner Kundensegmente. Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ist der strategische Einsatz dieser Vertriebspartner entscheidend für nachhaltiges Wachstum.
Die Zusammenarbeit mit dem richtigen Netzwerk an Vertriebspartnern ist angesichts der branchenspezifischen Herausforderungen und der Erschließung neuer Zielmärkte von entscheidender Bedeutung. Zudem erfordern strenge regulatorische Rahmenbedingungen und Sicherheitsaspekte eine enge Kooperation mit fachkundigen Vertriebspartnern, die bei der Einhaltung von Compliance-Vorgaben unterstützen und die Produktintegrität gewährleisten können. Diese externen Partner sind außerdem entscheidende Erfolgsgaranten, wenn es darum geht, neue Märkte und Kulturräume zu erschließen, in denen das eigene Chemieunternehmen bisher wenig präsent ist. Fehlt eine klare Vertriebspartner-Strategie, führt dies typischerweise zu geringerem Wachstum als erwartet, Margenverlusten aufgrund von Vertriebskonflikten sowie Leistungsproblemen auf Seiten der Vertriebspartner.
In diesem Beitrag erläutern wir, was eine Vertriebspartner-Strategie umfasst, welche Bedeutung sie speziell in der Chemiebranche hat und wie sie sich optimal in die aktuellen Marktdynamiken einfügt.
Definition einer Vertriebspartner-Strategie
Chemieunternehmen differenzieren zunehmend ihr Vertriebspartner-Netzwerk: Rohstoffhersteller können dadurch gezielt verschiedene Kundensegmente bedienen, während Anbieter von Spezialchemikalien auf die anwendungsspezifische Expertise ihrer Vertriebspartner in klar definierten Nischen setzen. In beiden Fällen verringert ein diversifiziertes Netzwerk das Risiko überhöhter Aufschläge und fördert zugleich den Wettbewerb in Bezug auf Servicequalität.
Um Vertriebspartner als echten Wachstumstreiber zu nutzen, müssen Unternehmen über reine Logistik (Third-Party-Logistics,3PL), das Management von Zahlungsausfällen oder die Cashflow-Steuerung hinausblicken. Eine zukunftsgerichtete Strategie sollte Aktivitäten einschließen, die Sichtbarkeit, technischen Support und operative Effizienz erhöhen.
Typischerweise lassen sich Vertriebspartner anhand von Branchenschwerpunkt und Leistungsprofil unterscheiden. Im internationalen Kontext hat sich zudem der Begriff ‚Distributeur‘ als Fachbezeichnung für spezialisierte externe Vertriebspartner etabliert, die mehr als reine Handelsfunktionen übernehmen. Die Landschaft der einzelnen Vertriebspartner-Typen hat sich darüber hinaus von einfachen Handelsvertretern hin zu fünf klaren Rollentypen weiterentwickelt:
- Branchenspezialisierte Händler: Bieten ein breites Portfolio an Dienstleistungen wie Verpackung, Qualitätssicherung und Abfallmanagement
- Produktspezialisten (insb. für Polymere): Verfügen über ein breites Produktportfolio an Produkten und Dienstleistungen, das auf spezifische Produktgruppen mit Mehrwertdiensten wie Rezepturentwicklung oder Systemhaus-Ansätzen zugeschnitten ist
- Vollsortimenter: Bieten ein komplettes Serviceportfolio, das vom reinen Handel über Qualitätskontrolle und Anwendungsunterstützung bis hin zum One-Stop-Shop und Supply-Chain-Management reicht
- Marktentwickler: Konzentrieren sich auf die Erschließung neuer geografischer Märkte, gestützt auf regionales Wissen – etwa zu Infrastruktur und gesetzlichen Rahmenbedingungen
- Spezialhändler: Verfügen über ein breites Serviceportfolio für ausgewählte Spezialanwendungssegmente – und das branchenübergreifend

Abbildung 1: Strategische Positionierung von Vertriebspartnern im Markt
Aus unserer Projekterfahrung zeigt sich: Eine klare Vertriebspartner-Strategie beginnt mit einem tiefgehenden Verständnis der Leistungsfähigkeit einzelner externer Partner – und wie gut diese mit den strategischen Zielen des jeweiligen Chemieunternehmens übereinstimmen. Eine solche Strategie definiert, welche Regionen, Produkte und Kundensegmente über welche Vertriebspartner-Typen adressiert werden sollen. Gleichzeitig liefert sie kommerzielle Leitplanken, die das gewünschte Verhalten der Vertriebspartner gegenüber Endkunden gezielt fördern.
Zentrales Bewertungskriterium ist dabei die Fähigkeit und die nachgewiesene Performance des Vertriebspartners, vereinbarte Mengen- und Wachstumsziele zuverlässig zu erfüllen.
Zielmärkte systematisch zuordnen
Unternehmen entwickeln ihre Vertriebspartner-Strategie häufig entlang dreier Dimensionen: Regionen, Produkte und Kundensegmente. So lassen sich Distributionsansätze differenziert steuern und gezielt auf Marktpotenziale ausrichten.

Abbildung 2: Kerndimensionen der Distributionsstrategie
Regionale Segmentierung ermöglicht einen gezielten Vertrieb in Märkten mit spezifischer Dynamik oder regulatorischen Anforderungen. Historisch betrachtet ist der Anteil des Chemikalienvertriebs über Vertriebspartner in Nordamerika und China am höchsten – in Nordamerika vor allem wegen der großen Distanzen, in China aufgrund der stark fragmentierten Kundenstruktur mit vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen. In Zeiten abnehmender Wachstumsraten beobachten wir, dass asiatische Hersteller verstärkt auf Vertriebspartner setzen, um ihre internationale Reichweite auszubauen. Diese Strategie unterstreicht die Rolle der Distributeure bei der Bewältigung der Komplexität internationaler Märkte und der Erleichterung des Markteintritts.
Produktbezogene Segmentierung stellt sicher, dass Vertriebspartner über das erforderliche Fachwissen und die notwendigen Ressourcen verfügen, um bestimmte Produktlinien effektiv zu vermarkten und zu verkaufen. Hersteller mit kapitalintensiven Produktionsprozessen wählen diesen Ansatz, um ihre Servicekosten an ihre Margen anzupassen. Angesichts inflationsbedingter Kostensteigerungen und wachsendem Margendruck bei semi-spezialisierten Produkten wird es zunehmend wichtiger, historisch gewachsene Strukturen neu zu bewerten .
Segmentierung nach Kundenanwendung erlaubt es Ihnen, auf die individuellen Bedürfnisse und Präferenzen unterschiedlicher Kundensegmente einzugehen. In der Praxis übernehmen Vertriebspartner meist die Betreuung der „kleineren“ Kunden, bei denen ein Direktvertrieb wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Wir halten diesen Ansatz insbesondere für die Bereiche Pharma, Lebensmittel und Ernährung sowie Körperpflege für relevant.
Allzu häufig beobachten wir, dass Unternehmen versuchen, ihren kommerziellen Ansatz mit Vertriebspartnern voreilig zu definieren, ohne die strategischen Dimensionen klar herauszuarbeiten. Das führt zu suboptimaler Performance über den jeweiligen Vertriebskanal und erhöht das Risiko, den eigenen Direktvertrieb zu kannibalisieren. Daher sollte jeder Vertriebspartner-Strategie eine fundierte Marktanalyse vorausgehen – mit Fokus auf die zu erwartende Nachfrageentwicklung auf dem Markt.
Leistungsorientierte Partnerschaften mit Distributoren
Wenn es Ihnen nicht gelingt, über Ihre Vertriebspartner Wachstum zu generieren, liegen die Ursachen häufig in zwei zentralen Schwächen: unzureichende Leistung der Partner sowie fehlende Mehrwertdienste. Dazu zählen etwa nicht erreichte Umsatzziele, finanzielle Instabilität, mangelnde Servicequalität oder fehlende Markt- und Kundendaten. Solche Defizite gefährden Ihre Wachstumsziele, beeinträchtigen die Profitabilität – und schwächen die Wahrnehmung Ihrer Marke bei den Kunden.
Was bedeutet für Sie exzellente Leistung von Vertriebspartnern? Als Hersteller sollten Sie diese Frage klar für sich beantworten und prüfen, inwiefern Ihre Partner in der Lage sind, Mehrwert zu stiften: etwa durch Reduktion logistischer Komplexität, durch den Zugang zu neuen Regionen, gezielte Kundenbetreuung oder Unterstützung bei der Produktentwicklung. Letztlich basiert eine starke Partnerschaft immer auf einem gemeinsamen Verständnis und Engagement – von Ihrer Seite wie von der Ihres Vertriebspartners.
Die besten Partnerschaften bringen beiden Seiten Vorteile. Aus unserer Erfahrung müssen fünf zentrale Dimensionen erfüllt sein, damit Ihre Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern erfolgreich ist:
- Servicelevel definieren: Legen Sie klare Servicelevel-Vereinbarungen fest, die die Erwartungen in Bezug auf Marketing und Schulungen, die Lieferkette und den Kundensupport abdecken – so stellen Sie die Kundenzufriedenheit sicher
- Weitergabe von Kostenänderungen sicherstellen: Stellen Sie sicher, dass Ihre Preise entlang der Marktmechanik wettbewerbsfähig bleiben, indem Sie Veränderungen nachvollziehbar an Ihre Kunden weitergeben – und damit sowohl Volumen als auch Marge absichern
- Nachhaltigkeitspraktiken kalibrieren: Stimmen Sie Ihre Umwelt- und ESG-Ziele entlang der gesamten Lieferkette ab – dieser Aspekt gewinnt branchenübergreifend an Relevanz
- Echtzeitdaten nutzen: Sorgen Sie für aktuelle Transparenz – etwa bei Lagerbeständen, Compliance-Anforderungen oder Nachfrageprognosen – um informierte Entscheidungen zu treffen und Ihre Strategie vorausschauend anzupassen
- Kollaborative Zusammenarbeit etablieren: Fördern Sie offene Kommunikation, Verbindlichkeit, gemeinsame Zielsetzung sowie kooperative Erweiterungen – z. B. in rechtlichen, regulatorischen oder nachhaltigkeitsrelevanten Bereichen.
Typischer Fahrplan für eine erfolgreiche Vertriebspartner-Strategie
Aus unserer Projekterfahrung wissen wir: Eine schlagkräftige Vertriebspartner-Strategie folgt einem klar strukturierten Vier-Schritte-Ansatz:
- Marktstruktur erfassen: Ermitteln Sie, welche Regionen, Produkte und Kundensegmente Sie direkt bedienen und in welchen Bereichen Sie mit Vertriebspartnern zusammenarbeiten möchten
- Vertriebspartner-Portfolio definieren: Entwickeln Sie ein Leistungsbewertungsmodell und identifizieren Sie die passenden Vertriebspartner für Ihre jeweiligen Zielmärkte. Achten Sie dabei auf strategische Passung und Differenzierungspotenzial
- Rahmenwerk für Vertriebspartner implementieren: Legen Sie klare Steuerungsrichtlinien fest – etwa Verantwortlichkeiten, Angebots- und Preisstrukturen, Marketingunterstützung sowie operative Abläufe inklusive Supply Chain Management. Bestimmen Sie zudem die interne Governance-Struktur: regional, koordiniert oder zentralisiert.
- Vertrieb befähigen: Richten Sie Ihre Vertriebsorganisation so aus, dass Ihre Teams die Vertriebspartner professionell betreuen und steuern können – mit klaren Rollenprofilen, Kapazitäten und geeigneten Ansprechpartnern.

Abbildung 3: Beispiel „Distributionsmanagement-Framework eines Coatings & Adhesives-Herstellers
Vertriebspartner-Strategie als Wachstumsmotor
Zusammenfassend lässt sich sagen: Eine durchdachte Vertriebspartner-Strategie ist ein zentraler Erfolgsfaktor für Unternehmen in der Chemiebranche. Sie hilft Ihnen, Marktkomplexität zu navigieren, neue Kundensegmente zu erschließen und nachhaltiges Wachstum zu realisieren. Wer die Unterschiede und Potenziale verschiedener Distributeur-Typen versteht und leistungsorientierte Partnerschaften konsequent aufbaut, kann sich im zunehmend wettbewerbsintensiven Umfeld strategisch positionieren. In einem Markt, der von Dynamik und Veränderungen geprägt ist, wird eine exzellent umgesetzte Distributionsstrategie zum entscheidenden Hebel, um Chancen frühzeitig zu erkennen und langfristig erfolgreich zu bleiben.