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Verarbeiterstudie 2022: Nachhaltigkeit ist neuer Standard in der Baubranche

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Bau

Eine großangelegte Studie der Strategieberatung Simon-Kucher mit Teilnehmern aus 204 Verarbeitern sieht vor allem Hersteller von Bauprodukten unter Zugzwang. Denn Kunden fordern zunehmend nachhaltige Produkte ein, haben jedoch keine einheitliche Vorstellung von deren Ausgestaltung. EU-Vorgaben treiben trotz Inflation den Trend zu nachhaltigen Produkten weiter voran.

Die Branchenexperten Sebastian Strasmann und Jan Haemer stellen die Studienergebnisse vor und erläutern, wie Hersteller eine Vorreiterrolle einnehmen können, statt hinter den Wettbewerb zurückzufallen.

Grünes Bauen ist längst kein Trend mehr, sondern wird zum neuen Standard. Der Umbruch in der Baubranche zeigt sich im Nachfrageverhalten entlang der Wertschöpfungskette und wird durch die EU-Offenlegungsverordnung, die seit März 2021 stufenweise in Kraft getreten ist, weiter gestützt. Ab 2023 wird für Unternehmen oder auch Bauprojekte die Dokumentation der Taxonomie-Konformität hinsichtlich der Umweltziele relevant: Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling, der Klimaschutz und auch die Vermeidung von Umweltverschmutzung sind dabei konkrete Umweltziele, die die Bauwirtschaft betreffen. Weiterhin üben Endkundenwünsche und der gesellschaftliche Wandel hin zu einer ökologischeren Marktwirtschaft großen Einfluss auf die Nachfrageänderungen in der Baubranche aus.

Simon-Kucher hat zu diesem Wandel eine große Verarbeiter-Panelstudie durchgeführt, deren Ergebnisse eindeutig sind: Bei ihren Einkaufsentscheidungen bewerten 81 Prozent der 204 Studienteilnehmer unter den Verarbeitern das Thema Nachhaltigkeit als wichtig bis sehr wichtig. 52 Prozent der Befragten kaufen bereits jetzt regelmäßig nachhaltige Produkte ein.

Als einen der Haupttreiber sehen viele Verarbeiter dabei, dass Kunden zuletzt aktiv mehr nachhaltige Produkte angefordert haben. So geben 35 Prozent der Verarbeiter als Grund für den nachhaltigen Einkauf die konkreten Wünsche der Endkunden an. Die regulatorischen Anforderungen (19 Prozent) stehen an zweiter Stelle, gefolgt von der Möglichkeit zur besseren Wettbewerbspositionierung (18 Prozent). Der Fokus verschiebt sich insgesamt von traditionellen Maßgaben wie Qualität (46 Prozent) und guter Funktionalität (36 Prozent), auch zu Anforderungen wie lange Lebensdauer (39 Prozent), gesundheitliche Unbedenklichkeit (38 Prozent) und hohe Umweltfreundlichkeit (31 Prozent). Diese drei Kriterien erachten Verarbeiter als die wichtigsten ihrer Kunden beim Einkauf von Bauprodukten.

Der zweite große Nachfragetreiber bleibt die Offenlegungsverordnung der EU zu nachhaltigen Investitionen. Die Nachhaltigkeit der verarbeiteten Materialien (z.B. der Anteil von recycelbaren Baustoffen) muss nun genau dokumentiert werden, wodurch gerade die Baustoffgewerke (bspw. 100 Prozent der Dachdecker und ca. 90 Prozent der Baumeister/Mauerarbeiter) eine Zunahme der Nachfrage nach grünen Bauprodukten erwarten. Insgesamt gehen 85 Prozent der befragten Verarbeiter von einer Nachfragesteigerung aufgrund der neuen Regularien aus. Auch die Inflation scheint diese Nachfrageerwartung nicht grundlegend zu beeinflussen, sodass 47 Prozent der Verarbeiter daran glauben, dass die Nachfrage trotz der steigenden Preise gleichbleibt oder sogar größer wird. Die Erwartungshaltung besteht damit über alle Gewerke hinweg, dass in ca. 5 Jahren 66 Prozent der Bauprodukte nachhaltig sein werden.

Diese Studienergebnisse verdeutlichen: Um weiterhin am Markt partizipieren und zukünftig wachsen zu können brauchen Hersteller von Bauprodukten nachhaltige Produktportfolios und Vermarktungsstrategien. Welche Erfolgsfaktoren gilt es aber dabei zu beachten?

1. Bauprodukte mit konkreten Nachhaltigkeitsvorteilen anbieten

Von den befragten 204 Verarbeitern geben ganze 89 an, dass ihre Kunden Produkte mit geringerem Energieverbrauch in der Produktion bevorzugen und dafür auch mehr zu zahlen bereit sind. Aber auch geringere Emission und eine verminderte Umweltbelastung sowie ein geringerer Primärressourcenverbrauch gelten als relevante Punkte, um die Zahlungsbereitschaft der Endkunden zu erhöhen. Aus Sicht der Verarbeiter sind hingegen vor allem umweltfreundliches Verpackungsmaterial, Recycling-Fähigkeit und kurze Transportwege Faktoren, die sie selbst als wichtig betrachten. Es gibt daher keine einheitliche Definition von Nachhaltigkeit, wodurch Hersteller dazu aufgefordert sind ihre Wertversprechen marktorientiert zu entwickeln. Ein nachhaltigkeitsbasierter Markenaufbau allein reicht nicht aus. Um mit einem grünen Portfolio erfolgreich Preisprämien zu realisieren sind also Produkt- und Marktkommunikation gleichermaßen auf die konkreten Anforderungen von Endkunden und Verarbeitern auszurichten.

2. Gewerke nach Anforderungen an Nachhaltigkeit priorisieren

Um die grüne Transformation und Innovationen zu finanzieren, müssen Hersteller nachhaltige Produkte für Gewerke mit der höchsten Zahlungsbereitschaft einführen. Dazu zählen vor allem die Baustoffgewerke: Beton- und Baumeister- aber auch Mauerarbeiten. Diese drei Vorreitergewerke haben die höchste Dringlichkeit, Emissionen durch nachhaltige Alternativen zu reduzieren, was auch die Zahlungsbereitschaft der Endkunden treibt.

3. Kaufbarrieren abbauen

Für eine erfolgreiche Vermarktung von grünen Produkten müssen Hersteller von Bauprodukten für Verarbeiter und Endkunden jedoch zuallererst Kaufbarrieren abbauen. 70 von 204 Verarbeitern geben dabei Verfügbarkeit als eine Hürde beim Kauf an, sodass Hersteller und Handel aufgerufen sind den Zugang zu grünen Produkten zu verbessern. 62 sehen mangelndes Fachwissen, z.B. zu Umweltdeklarationen als ein Problem, und auch das Vertrauen in nachhaltige Produkte muss aus Sicht von 59 Teilnehmern aufgebaut und gestärkt werden. Hierfür können Umweltsiegel eine große Rolle spielen. Die Optimierung von Marktangang und Kommunikation ist entscheidend, um Kaufbarrieren abzubauen und grüne Produkte erfolgreich zu positionieren.

Die Studienergebnisse zeigen konkrete Anforderungen, aber auch Wachstums- und Ertragspotenziale in der grünen Transformation: Nur mittels der Einführung eines nachhaltigen Produktportfolios können Hersteller langfristig im Wettbewerb bestehen bleiben. Höhere Zahlungsbereitschaften existieren für konkrete Nachhaltigkeitskriterien und können notwendige Investitionen ausbalancieren. Zur Einführung einer nachhaltigen Produktpalette ist der Studie zufolge der Abbau von Kaufbarrieren, die gezielte Adressierung der Vorreiter in den Gewerken sowie die Vermarktung konkreter Nachhaltigkeitsvorteile entscheidend. Für Hersteller heißt es nun: Unverzüglich handeln, um in der Verlagerung der Nachfrage zu grünen Produkten keine Marktanteile zu verlieren!

Dieser Beitrag wurde ursprünglich im Januar 2023 im BaustoffMarkt veröffentlicht.

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